Samstag, 17. Mai 2008

Montag, 21. April


Trüber Himmel, niedrige Wolken und ein strammer Wind von hinten, so präsentiert sich dieser Morgen. Mit zehn bis elf Knoten macht die Royal Clipper gut Fahrt. Seit mehr als 26 Stunden läuft das Schiff ohne Motorunterstützung. Genau so haben wir uns das vorgestellt. Allerdings ist es schon wieder deutlich kühler geworden und der Wind mit etwa 20 bis 25 Knoten macht sich deutlich bemerkbar.
Obwohl das Schiff deutlich stärker um die Quer- und gelegentlich auch um die Längsachse schaukelt, ist niemand seekrank. Ich glaube, wir haben uns an die Schaukelei gewöhnt. In den ersten Tagen war es ähnlich wackelig und ich habe mich meistens mit einer Hand abgestützt oder am Geländer entlang gehangelt. Jetzt geht es fast ohne Unterstützung. Und auch nach dem Frühstück beim Tai Chi ist es kein Problem, die Augen zu schließen und die Übungen zu absolvieren.
Um 10:15 Uhr hat der Kapitän auf die Brücke gebeten und er erklärt uns kurz die üblichen Segelmanöver, die mit einem Segelschiff gefahren werden. Und dann ist es so weit. Wer will, darf auf dem Vorschiff die Taue für die Stagsegel auf der einen Seite nachlassen und auf der anderen Seite anziehen, als wir eine Halse fahren. Vor lauter Ziehen an den Tauen bekomme ich eigentlich gar nicht mit, wie und wohin das Schiff die Richtung geändert hat. Während wir uns vorne abmühen, hat die ‚normale’ Besatzung an den vier anderen Masten schon längst mit Hilfe der elektrischen Winden die Segel neu gesetzt. Moderne Seefahrt ist eben doch einfacher. Ich helfe anschließend noch dem Maat dabei, die Focksegel zu korrigieren. Er hat seinen Spaß und ich auch.
Das Mittagessen steht heute unter der Überschrift: mediterranes Buffet. Auf der mit einem Koch besetzten Station gibt es kleine Garnelen, Tintenfische, Muscheln und Fischwürfel in einer sehr leckeren Tomatensoße. Ansonsten: Paella, gebratene Hähnchenteile, Nudeln, Pellkartoffeln, Möhrenscheiben, Rindergulasch sowie jede Menge frische Salate. Und natürlich wieder der Tisch mit den Nachspeisen, an dem man überhaupt nicht vorbeigehen kann. Es ist einfach zu lecker und wir haben auch heute wieder eindeutig zu viel gegessen. Die Stunde in der Muckibude am Nachmittag schafft leider keinen Ausgleich.
Am Abend wird wieder brav zu Gitarrenbegleitung Salve Regina gesungen. Eine viel zu traurige Melodie, um sie mit Freude zu schmettern.
Das Abendessen wie immer in großer Runde mit Lucie (ehemalige Parfümeriebesitzerin aus Frankfurt und erfahrene Reisende), Rolf und mit breitem Wissen über alle wesentlichen Dinge des Lebens, Jürgen und Antje(Steuerberater aus Nienburg, mit Zaubertricks vertrauter Witzeerzähler) und Christa und Jens, die ich schon am Anfang beschrieben habe.

Älteste an Bord ist eine englische Lady, mit einem weißen Wuschelkopf a la Einstein, mit 92 Jahren und noch toppfit ist. Sie ist am Anfang der Reise auf den Mast geklettert, hat immer ein freundliches Lächeln und einen Spruch auf den Lippen, wagt sich im Bikini an Deck und tanzt auch gerne mal am Abend in der Tropical Bar den Twist. Abgesehen von ihrer Frisur ist sie immer adrett zurecht gemacht, der Lidstrick sitzt perfekt und die Augenbrauen sind mit leichtem lila nachgezogen.
Dann ist da der große Belgier, der mit seinem Sohn unterwegs ist und sich schon am zweiten Tag an eine alleinreisende Dame aus Deutschland (sicherlich schon über 60) herangemacht hat. Oder war es umgekehrt? Auf jeden Fall sah man die beiden häufig etwas kuschelnd beisammenstehen. Allerdings muss irgendetwas vorgefallen sein, denn nach einigen Tagen standen und saßen die beiden weit auseinander und er hatte eine andere, jüngere Alleinreisende an seiner Seite. Man sieht schon an diesen Zeilen: es ist wie im richtigen Leben an Land….

1 Kommentar:

HM hat gesagt…

;-) Herrliche "Sozialstudie". Die bewunderswerte Dame "um die 90" erinnerte mich beim ersten Anblick spontan an Jaques Cousteau - muss wohl am Thema liegen;-))
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Grüße.