Wieder mussten die Uhren heute Nacht eine Stunde vorgestellt werden. Komisch, wo wir doch eher nach Norden, als nach Osten fahren. Aber der Kapitän wird schon wissen, was er anordnet. Gegen 8 Uhr gab es ein paar kurze Kommandos auf Deck und die Mannschaft machte sich bereit, weitere Segel zu hissen. Bislang waren nur 10 Fock-Segel in den Masten und nun kamen fast alle Rah-Segel dazu. Kapitän, erster Offizier und zweite Offizier standen draußen neben der Brücke und korrigierten die Arbeit der Rigger. Die Maschine dreht gewissermaßen im Leerlauf und es knarzt mächtig in den Masten. Viele Passagiere hatten nur auf diese Situation gewartet und ließen ihre Kameras heiß laufen. Wer weiß, wie lange es diese Bilder gibt.
Die Royal Clipper liegt deutlich ruhiger im Wasser, aber eben auch mit größerer Schräglage, auch wenn der Wind nur noch mit 5 Beaufort angezeigt wird. Die Fahrt unter Segeln ist auf etwa 9 Knoten zurückgegangen.
Es gibt so viel zu sehen, wenn die Segel gesetzt sind. Genau das haben wir gewollt: mit dem Segelschiff über den Atlantik. Erinnerungen werden Wach an meine Kindheit, als ich die Bücher von Graf Luckner verschlungen habe, und selbst unbedingt Matrose werden wollte. Heute denke ich: als Passagier ist das vielleicht doch angenehmer und vor allem, wenn man es mit den Zeiten von fast 50 Jahren vergleicht.
Vor lauter schauen und staunen vergessen wir fast, zum Frühstück zu gehen. Wir müssen uns beeilen, denn um 9 Uhr ich wieder Tai Chi mit Michael. Diese Zeit ist ein kleiner Höhepunkt des Tages. Diese Übungen mit dem tiefen Atmen und den ruhigen, organischen Bewegungen tun mir gut. Ich ahne, dass man auf diese Weise so etwas wie den eigenen Mittelpunkt finden kann. Auch wenn ich das Gefühl habe und noch mehr den Eindruck erwecke, kaum aus der Ruhe gebracht werden zu können, arbeitet es doch in meinem Inneren gewaltig. Und genau hier ebenfalls Gelassenheit und Kraft zu platzieren, das würde ich gerne hinbekommen.
Am Nachmittag tobt das pralle Leben an Deck: Olympische Spiele, rot gegen blau. Ein großer Klamauk, mit olympischer Flagge, Segel setzen, Wasserball und anderen, aus dem maritimen Leben ausgeliehenen Spielchen. Angenehm war, dass die Besatzung nicht zusehen musste, sondern sich auf die beiden Spielergruppen verteilten. Und natürlich ging der Wettkampf unentschieden aus. Nahezu die Hälfte der Passagiere machte mit.
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